Kündigung für Lehrer wegen Tattoos

Kündigung für Lehrer wegen Tätowierungen

Was einst als Körperschmuck für Seefahrer oder Kriminelle galt, ist heute längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen – Tätowierungen. Vom kleinen Sternchen als Accessoire bis hin zu großen und vollflächigen Tattoos ist es Mode, seine Haut mit Farbe zu schmücken. Dennoch ist Vorsicht geboten: Wer ein „falsches“ Tattoo hat, muss möglicherweise mit einer Kündigung des Arbeitgebers rechnen, jedenfalls dann, wenn er im öffentlichen Dienst beschäftigt ist.

So hat jetzt das LAG Berlin-Brandenburg mit seinem Urteil vom 11.05.2021 – 8 Sa 1655/20 (hier nachzulesen) entschieden, dass bereits das Vorhandensein eines Tattoos eine fristlose Kündigung rechtfertigen könne.

Das Landesarbeitsgericht musste sich mit einem komplexen Themenfeld beschäftigen. Wir möchten die wichtigsten Informationen des Urteils in diesem Artikel für Sie dokumentieren.

Lehrer haben besondere Pflicht zur Verfassungstreue

Weil Lehrer den Schülern die Grundwerte des Grundgesetzes, insbesondere Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vermitteln sollen, wird von diesen eine besondere Verfassungstreuepflicht abverlangt. Damit soll zum einen verhindert werden, dass Schüler verfassungsfeindlich erzogen werden und zum anderen soll das Engagement für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gefördert werden.

Ein Verstoß gegen diese Treuepflicht liegt vor, wenn Symbole gezeigt werden, die als verfassungsfeindlich eingestuft werden. Nach der nun vorliegenden Entscheidung soll auch das Tragen von Tattoos, die verfassungsfeindliche Symbole darstellen, eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Auf das offene Vorzeigen im Unterricht käme es gar nicht an.

Lehrer trägt zweideutige Tattoos

Einem Lehrer in Brandenburg wurde nun wegen seiner Tätowierungen am Oberkörper gekündigt, welche im Unterricht üblicherweise nicht zu sehen sind.

Im Einzelnen handelt es sich bei den Tätowierungen um einen Thorshammer (Mjöllnir) mit einer Wolfsangel oder einer Gibor-Rune, um ein Sonnenrad, eine sogenannte „schwarze Sonne“ und eine auf dem Kopf stehende Schmetterlingsaxt. Im Bauchbereich befindet sich zudem der Spruch „Meine Ehre heißt Treue“, wobei das Wort Treue nochmals unterschrieben ist mit den Wörtern „Liebe Familie“. Zu einem späteren Zeitpunkt hatte der Lehrer das Wort „heißt“ mit einem Kreuz übertätowiert.

Zwar werden die Symbole auch in der nordisch-germanischen Mythologie verwendet, nach Einschätzung des Verfassungsschutzes sei es wegen des Spruches „Meine Ehre heißt Treue“ jedoch ausgeschlossen, dass die Tätowierungen einen religiösen nordisch-germanischen Hintergrund hätten. Bei diesem Spruch handelt es sich um einen ehemaligen Leitspruch der SS und dieser lasse auf eine gefestigte rechtsextreme Gesinnung schließen. Die spätere Abänderung durch das Wegstreichen des Wortes „heißt“ sei dabei unerheblich.

Im Rahmen eines Schulsportfestes zog der Lehrer aufgrund einer Hitzewelle das T-Shirt vorübergehend aus, sodass die Tattoos sichtbar wurden.

Lehrer distanziert sich von rechtem Gedankengut

Dementgegen hatte sich der betroffene Lehrer jedoch stets von rechtem oder gar rechtsextremen Gedankengut distanziert. So war er niemals in entsprechenden Kreisen unterwegs und engagierte sich auch nicht für derartige politische Organisationen oder Parteien.

Die Tattoos hätten ausschließlich einen religiösen Hintergrund, so die gekündigte Lehrkraft. Diese seien insbesondere als Akt der Auflehnung gegen sein sehr religiös geprägtes Elternhaus entstanden. Trotz der Distanzierungen kündigte das Land das Arbeitsverhältnis mit dem Lehrer außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich mit der vorgesehenen Kündigungsfrist.

Vorhandensein der Tattoos stelle eine erhebliche Pflichtverletzung dar

Gegen diese Kündigung erhob der betroffene Lehrer eine Kündigungsschutzklage. Vor dem Arbeitsgericht Neuruppin war er damit noch erfolgreich gewesen. Da ein parallel anhängiges Strafverfahren noch nicht abgeschlossen sei und die fehlende Eignung nicht zweifelsfrei feststehe, sei die Kündigung unwirksam.

Die Entscheidung hob das LAG Brandenburg jedoch mit dem vorliegenden Urteil wieder auf. Bereits das Vorhandensein der Tattoos stelle eine erhebliche Pflichtverletzung dar, die eine fristlose Kündigung rechtfertigen könne. Auf das Zeigen der Tätowierungen komme es hierbei nicht an. Auch sei es unerheblich, ob mit dem Zeigen der Symbole eine Straftat begangen werde oder nicht.

Als Lehrer sei er verpflichtet, für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten. Dies lasse sich mit den vorliegenden Tätowierungen nicht in Einklang bringen, da durch diese der Eindruck entstehen müsse, dass der Träger die freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnt oder gegen diese protestiert.

Bestandskraft vor höheren Gerichten unsicher

Ob diese Entscheidung letztlich Bestand haben wird, lässt sich nicht sicher sagen. Insbesondere wegen dem Grundsatz der sogenannten „Funktionsbezogenen Treuepflicht“ in Kombination mit dem Umstand, dass der Lehrer Naturwissenschaften und nicht etwa Sozialkunde unterrichtete, könnten Zweifel an der Bestandskraft vor dem Bundesarbeitsgericht aufkommen.

So hatte das BVerwG in einem Urteil vom 19. Januar 1989 in Bezug auf einen Lehrer, der sich aktiv in der DKP (Deutsche Kommunistische Partei) engagierte und Aufsätze mit verfassungsfeindlichen Inhalten publizierte, dessen Entfernung aus dem Dienst für rechtswidrig erklärt. Sogar ein Lehrbeauftragter, der in innerer Distanz zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehe, müsse deshalb nicht notwendigerweise unfähig sein, einen den wissenschaftlichen Anforderungen des Lehrfachs entsprechenden Unterricht zu erteilen (vgl. BVerwG Urteil vom 19. Januar 1989, Az. 7 C 89.87).

Das BAG entschied gegenüber einem Lehramtsanwärter, dass die Wahrnehmung von Mitgliedschaftsrechten und Funktionärstätigkeiten in den verfassungsfeindlichen Organisationen der DKP und des MSB Spartakusbundes nicht geeignet sind, gegenüber nicht verbeamteten Lehramtsanwärtern ernsthafte Zweifel an der Einhaltung ihrer geringeren Verfassungstreuepflicht zu begründen (BAG im Urteil vom 01.10.1986, Az. 7 AZR 383/85).

Auch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bestärkt diese Zweifel. Dort hatten die Richter festgestellt, dass die Entfernung einer Lehrerin aus dem Dienst aufgrund ihres stetigen aktiven Engagements in der DKP und ihrem Bekenntnis zu einem verfassungsfeindlichen Parteiprogramm eine Verletzung der Menschenrechte darstellte (EGMR Urteil v. 26.09.1993, Az 7/1994/454/535).

Fazit

Wer im öffentlichen Dienst ist, sollte sich einen Tattoo-Termin gut überlegen. Vor allem das Motiv sollte gut durchdacht sein und über nicht ausreichend bekannte Symbole sollte man sich vorab informieren. Tätowierungen mit zweideutiger Aussagekraft sollten grundlegend vermieden werden.

Wurden Sie wegen einer Tätowierung gekündigt, sollten Sie unbedingt einen erfahrenen Anwalt im Arbeitsrecht an Ihre Seite holen. Insbesondere aufgrund der entgegenstehenden Entscheidungen des BVerwG, des BAG und des EGMR kann eine Kündigungsschutzklage durchaus zum Erfolg führen.