Wie gleich muss die Gleichstellung sein?

Wie gleich muss die Gleichstellung sein?

Ein kurioser Fall aus Schleswig-Holstein beschäftigt derzeit das Bundesarbeitsgericht und könnte womöglich Rechtsgeschichte schreiben.

Eigentlich wollte eine dortige Kreisverwaltung bloß die Position einer Gleichstellungsbeauftragten nachbesetzen. Immerhin existiert in Schleswig-Holstein gar ein eigenes Gesetz zur Gleichstellung der Frauen im öffentlichen Dienst. Und so schien zunächst alles in bester Ordnung, denn die Stelle konnte auch mit einer Frau besetzt werden.

 

Landesarbeitsgericht: Gleichstellung muss auch gleichberechtigt sein

Doch das Einstellungsverfahren geriet rasch selbst zu einer juristisch heiklen Angelegenheit in Sachen Gleichstellung. Etwas verärgert zeigte sich eine intergeschlechtliche Person, die sich ebenfalls auf die Stelle beworben hatte. Bei früher auch als Pseudohermaphroditen bezeichneten Personen sind sowohl die primären Geschlechtsmerkmale des einen Geschlechts als auch die sekundären Merkmale des anderen Geschlechts vorhanden.

Nach dem die weibliche Konkurrentin bevorzugt worden war zeigte sich die andere Person verärgert über die Personalpolitik sowie den Gleichheitssatz des schleswigschen Gleichstellungsgesetzes. Denn diese bevorzuge ausschließlich Frauen. Auch gegenüber Personen des dritten Geschlechts.

Zu diesem Urteil kamen dann überwiegend auch das Arbeitsgericht Elmshorn sowie das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein. Tatsächlich habe eine unzulässige Diskriminierung vorgelegen. Im Rahmen der Beweislastumkehr des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (§ 22 AGG) habe die Kreisverwaltung nicht hinreichend belegt, dass hier eine Bewerberin nicht nur ob ihres Geschlechts bevorzugt worden ist. Auch würden keine Ausnahmen greifen, die eine Bevorzugung einer Frau vor einer intergeschlechtlichen Person vorliegend rechtfertigen könnten.

 

Von Elmshorn über Erfurt zum EuGH nach Luxemburg?

Nun liegt der Fall also beim Bundesarbeitsgericht in Erfurt, von wo aus er es womöglich noch bis zum Europäischen Gerichtshof schaffen könnte. Denn Prüfungsmaßstab in Fragen der Gleichbehandlung ist letztlich das Europarecht. Und der EuGH ist regelmäßig der Auffassung, dass sogar nationales Verfassungsrecht unerheblich ist, wenn darin durch mitgliedstaatliche Verfassungsgeber Diskriminierungen eingebaut sind, die den hohen europarechtlichen Rechtfertigungsanforderungen nicht genügen.

Wie gleichberechtigt es also in Sachen Gleichberechtigung zuzugehen hat, das könnte der EuGH den hiesigen Bundes- und Landesgesetzgebern schon bald ins Stammbuch schreiben. Was zunächst nach einer Provinzposse klingt, das könnte schon bald gehörige arbeitsrechtliche Leuchtwirkung nach sich ziehen. Europaweit!