fristlose Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit

Arbeitsgericht Stuttgart – fristlose Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit möglich

Das Arbeitsgericht Stuttgart hat in erster Instanz entschieden, dass eine fristlose Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit unter bestimmten Voraussetzungen gerechtfertigt sein kann.

Die Frage, ob und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen eine fristlose Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit möglich ist, ist in der Rechtsprechung umstritten und wurde bisher noch nicht höchstrichterlich entschieden. Es stellt sich insbesondere die Frage, ob die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Änderungskündigung auch auf die Entgeltreduzierung Anwendung findet. Es lohnt sich daher, dieses Urteil genauer zu betrachten.

Der Sachverhalt

Die klagende Arbeitnehmerin ist seit 2011 in einem Unternehmen, welches eine Leiharbeitsfirma betreibt und regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, als Personaldisponentin tätig. Zuständig war sie für die Bereiche kaufmännisches, Medizinisches sowie Soziales und Pflege. Gearbeitet hatte Sie allerdings zuletzt nahezu ausschließlich im Bereich Soziales und Pflege, in der Einsatzplanung und Abstimmung für Kindergärten und Kindertagesstätten. Im März 2020 kam es neben der Schließung der Schulen auch zu der Schließung von Kindergärten und Kindertagesstätten. Ab dem 06.04.2020 war die Arbeitnehmerin erkrankt. Erst zu einem späteren Zeitpunkt stellte sich heraus, dass diese Erkrankung längerfristig bis in den August 2020 andauern sollte. Am 09.04.2020 erbat die Beklagte die Klägerin im Rahmen eines Telefonats die Unterzeichnung einer Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit. Dies verweigerte die Klägerin.

Bereits am 02.04 hatte die Beklagte bei der Agentur für Arbeit einen Arbeitsausfall durch die Corona-bedingte Schließung der Schulen und Kindergärten beantragt. Daraufhin hatte die Bundesagentur für Arbeit am 14.04.2020 Kurzarbeitergeld für die Zeit vom 01.04 – 31.12.2020 bewilligt. Am 22.04.2020 erhielt die klagende Arbeitnehmerin sodann eine fristlose, hilfsweise eine ordentliche Änderungskündigung von ihrem Arbeitgeber. In diesem wurde der Arbeitnehmerin angeboten, das Arbeitsverhältnis unter den Bedingungen, dass Kurzarbeit bis längstens 31.12.2020 angeordnet wird, fortzuführen.

Diese Bedingung nahm die Arbeitnehmerin – unter Vorbehalt der gerichtlichen Klärung der Rechtmäßigkeit der Änderungskündigung – an und erhob Kündigungsschutzklage.

 

Änderungskündigung rechtmäßig

Eine Änderungskündigung sei sozial gerechtfertigt, wenn dringende betriebliche Erfordernisse das Änderungsgebot bedingen. Zudem müsse sich der Arbeitgeber darauf beschränken, dem Arbeitnehmer nur solche Änderungen anzubieten, die dieser billigerweise hinnehmen muss. Dies ist der Fall, wenn die Änderungen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gerecht werden. Die Änderungen müssen also geeignet und erforderlich sein, den Inhalt des Arbeitsvertrages an die verbliebenen Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen und dürfen nicht weiter vom bisherigen Inhalt abweichen, als dies erforderlich ist. Darüber hinaus ist entscheidend, ob die zugrunde liegende Organisationsentscheidung die Änderung erzwingt oder ob diese im Wesentlichen auch ohne bzw. mit weniger einschneidenden Änderungen durchsetzbar wäre.

Vorliegend sei ein dringender betrieblicher Grund gegeben, da mit der gesetzgeberischen Wertung der §§ 95 ff SGB III ein anerkannter erheblicher Arbeitsausfall ein dringendes betriebliches Erfordernis begründet. Da ein Betriebsrat nicht besteht und eine individualvertragliche Vereinbarung aufgrund der Weigerung der Klägerin ausscheidet, bleibe dem Arbeitgeber nur die Änderungskündigung, um den gesetzlich vorgesehenen und auch beschäftigungspolitisch gewünschten Zugang zum Kurzarbeitergeld nicht unmöglich zu machen. Auch sei zum Zeitpunkt der Änderungskündigung noch nicht ersichtlich gewesen, dass die Klägerin längerfristig erkrankt sei. Eine fehlerhafte Sozialauswahl habe die Klägerin nicht geltend gemacht. Daher sei die Änderungskündigung sozial gerechtfertigt.

Auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei gewahrt. So bestand eine Vorlaufzeit von drei Wochen und die Kurzarbeit war zeitlich bis längstens zum 31.12.2020 begrenzt worden. Auch die Voraussetzungen für die Einführung des Kurzarbeitergeldes haben gerade im Hinblick auf die Beschäftigung der Klägerin vorgelegen, da durch die Corona-bedingte Schließung der Kinderbetreuungseinrichtungen eine erhebliche Reduzierung des Arbeitskräftebedarfs vorlag. Dies habe auch die Agentur für Arbeit anerkannt.

Demnach war die Änderungskündigung rechtmäßig.

Änderungskündigung auch fristlos möglich

Zudem konnte die Änderungskündigung nach Ansicht des Gerichts in der vorliegenden Konstellation auch fristlos ausgesprochen werden. Längere Kündigungsfristen durch eine ordentliche Kündigung hätten aufgrund des drohenden Zeitablaufs dazu geführt, dass der Arbeitgeber das Regelungsinstrument der Kurzarbeit nicht mehr sinnvoll hätte nutzen können. Auch die Corona-bedingte Situation mit der kurzfristigen Schließung der Einrichtungen, welche sich unvorhersehbar kurzfristig auf den Arbeitsbedarf ausgewirkt habe und zu einem Wegfall der Planbarkeit durch den Arbeitgeber geführt habe, spreche für die Möglichkeit der fristlosen Änderungskündigung. Andernfalls wäre im Ergebnis die sinnvolle Einführungsmöglichkeit der Kurzarbeit – bei einer Verweigerungshaltung einzelner Arbeitnehmer – ausgeschlossen. Zudem seien andere mildere Maßnahmen nicht ersichtlich gewesen.

Fazit

Es ist davon auszugehen, dass diese Entscheidung nicht rechtskräftig geworden ist. Demnach könnte dieses Verfahren zu einer höchstrichterlichen Rechtsprechung bezüglich der Möglichkeiten einer fristlosen Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit führen. Auch wenn hier eine Einzelfallentscheidung vorliegt, werden dennoch Maßstäbe entwickelt, welche sich auf andere Fälle übertragen lassen. Es lohnt sich, die weitere Entwicklung im Auge zu behalten.

Arbeitgeber, bei denen keine entsprechende Betriebsvereinbarung besteht und die mit einer Verweigerungshaltung einzelner Mitarbeiter bezüglich der Einführung von Kurzarbeit konfrontiert sind, sollten das Vorliegen der hier entwickelten Maßstäbe -insbesondere die Voraussetzung zur Einführung von Kurzarbeit – sorgfältig prüfen.