Betriebsübergang: Kündigungsschutz für Geschäftsführer?
Kann sich der Geschäftsführer bei einem Betriebsübergang genauso wie gewöhnliche Mitarbeiter auf den Kündigungsschutz gemäß § 613a BGB berufen? Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass das Arbeitsverhältnis auf den neuen Arbeitgeber übergeht, jedoch nicht die Organstellung als Geschäftsführer (Urt. v. 20. Juli 2023, Az.: 6 AZR 228/22). Das Landesarbeitsgericht in Hamm hatte die Klage des Beschäftigten auf Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses noch abgewiesen.
Bei Betriebsübergängen sind die betroffenen Arbeitnehmer in der Regel sehr gut geschützt. Der neue Arbeitgeber ist dazu angehalten, die bereits bestehenden Arbeitsverhältnisse fortzuführen. Gemäß § 613a BGB tritt der neue Inhaber in alle Rechten und Pflichten der zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse ein. Doch gilt diese Regelung auch für eine herausgehobene Position wie die des Geschäftsführers? Das Bundesarbeitsgericht hatte sich mit einem solchen Fall zu beschäftigen und entschied, dass zwischen dem bloßen Anstellungsverhältnis und der Organstellung als Geschäftsführer zu differenzieren ist.
Kaufmännischer Angestellter wird Geschäftsführer
Im konkreten Fall war ein kaufmännischer Angestellter seit September 2000 bei einem Logistikdienstleister tätig. 13 Jahre später wurde er zum GmbH-Geschäftsführer bestellt, wobei weder schriftlich noch mündlich ein Geschäftsführer-Dienstvertrag geschlossen wurde. Ende 2017 folgte dann eine „Änderung zum Arbeitsvertrag“, die der Beschäftigte mit der alleinigen Gesellschafterin der GmbH vereinbarte. Dabei wurden neue Arbeitszeiten für den Beschäftigten festgelegt, wobei alle anderen Bestandteile des Vertrags bestehen blieben und kein gesonderter Geschäftsführer-Dienstvertrag die gültigen Verträge ersetzte. Im Oktober 2019 übernahm nach Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens eine Tochtergesellschaft der Unternehmensgruppe die Geschäfte, wobei der Insolvenzverwalter dem Geschäftsführer betriebsbedingt kündigte.
Geschäftsführer klagt gegen seine Kündigung nach Betriebsübergang
Der Beschäftigte klagte gegen die Kündigung, bezeichnete diese als sozial ungerechtfertigt und begründete dies unter anderem damit, dass er das Amt des Geschäftsführers einen Tag nach der betriebsbedingten Kündigung niedergelegt habe. Dass das Kündigungsschutzgesetz nicht für Angestellte in leitender Stellung und damit auch Geschäftsführer gelte (§ 14 Abs. 1, Nr. 1 KSchG), sei somit nicht relevant. Das Arbeitsverhältnis gehe zudem aufgrund des Betriebsübergangs auf den neuen Inhaber über, womit eine Kündigung unwirksam sei (§ 613a Abs. 4 BGB). Nachdem das LAG Hamm die Klage des ehemaligen Geschäftsführers abwies (Urt. v. 25. März 2022, Az.: 16 Sa 522/21), hoben die Richter des BAG dieses Urteil auf und verwiesen es zur Überprüfung an die Vorinstanz zurück.
BAG unterstreicht Unterscheidung zwischen Angestelltenverhältnis und Organstellung als Geschäftsführer
Die Erfurter Richter unterstrichen in ihrer Urteilsbegründung, dass der Geschäftsführer vor seiner Organbestellung schon als kaufmännischer Angestellter des Logistikdienstleisters tätig gewesen war. Durch den Anstellungsvertrag, der infolge der Bestellung als Geschäftsführer nicht geändert oder aufgehoben wurde, ergebe sich die Situation, dass das Angestelltenverhältnis auf den neuen Betrieb übergehe, die Organstellung als Geschäftsführer jedoch nicht. Der Kläger könne sich auf den Kündigungsschutz gemäß § 613a BGB berufen, da das Angestelltenverhältnis von der Organstellung als Geschäftsführer zu trennen sei. Der Beschäftigte habe keinen Anspruch auf die Fortsetzung der Geschäftsführertätigkeit, jedoch auf die Fortsetzung des Angestelltenverhältnisses.
Praxistipp: Bei Geschäftsführerbestellung Neuverträge aufsetzen!
Das Urteil des BAG gibt eine klare Orientierung für die Praxis bei einem Betriebsübergang und unterstreicht die rechtliche Trennung von Arbeitsvertrag und Organstellung. Falls ein Mitarbeiter zum Geschäftsführer bestellt und der bislang geltende Anstellungsvertrag unverändert fortgesetzt wird, fällt der Mitarbeiter mit dem Ende der Organstellung in seine Angestelltenposition zurück und hat Anspruch auf die Schutzbestimmungen gemäß § 613a BGB bei Betriebsübergang. Es ist Unternehmen daher anzuraten, bei Bestellung eines Mitarbeiters zum Geschäftsführer einen gesonderten Geschäftsführer-Dienstvertrag aufzusetzen und die bis dato geltenden Angestelltenverträge aufzuheben. Sonst könnten bei Abberufung und Beendigung des Dienstvertrags die alten Anstellungspapiere zum Problem werden. Für Angestellte hingegen bedeutet das BAG-Urteil, dass nach der Abberufung aus der Organstellung weiterhin der Anspruch auf die Fortsetzung der vorherigen Anstellungstätigkeit besteht, wenn kein gesonderter Geschäftsführervertrag aufgesetzt wurde. Das Ende der Organstellung bedeutet also nicht automatisch die Kündigung des Anstellungsvertrags, wo der Mitarbeiter umfassend geschützt ist.