EuGH-Urteil: Urlaub verfällt nur, wenn er genommen werden kann

EuGH-Urteil: Urlaub verfällt nur, wenn er genommen werden kann

Der Europäische Gerichtshof hat in einem Urteil vom 22. September 2022 die Rechte von Arbeitnehmern gestärkt (Az. C-120/21). Fordern Arbeitgeber ihre Angestellten nicht dazu auf, ihren gesetzlich zugesicherten Urlaub zu nehmen, ist eine Verjährung ausgeschlossen. Somit können Arbeitnehmer gegebenenfalls auch Jahre später Urlaubsansprüche geltend machen.

 

Angestellte will finanzielle Abgeltung von Urlaubstagen der vergangenen fünf Jahre

Im konkreten Fall wollte eine seit 1996 bei einer Steuerkanzlei tätige Arbeitnehmerin nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Juli 2017 die finanzielle Abgeltung von 101 Urlaubstagen geltend machen. Der Anspruch bezog sich insgesamt auf die vergangenen fünf Jahre, in denen sie im Unternehmen tätig war und ihren Urlaub nur teilweise genommen hatte. Die Steuerkanzlei berief sich in der Zurückweisung der Forderung unter anderem auf die Verjährung der Urlaubsansprüche. Diese sei schon vor dem Beschäftigungsende eingetreten. Es folgten mehrere Verhandlungen, zuerst am Arbeitsgericht Solingen. Dieses verurteilte den Arbeitgeber zur Abgeltung von drei Urlaubstagen, während des Landesarbeitsgericht Düsseldorf der Klägerin die Abgeltung von weiteren 76 Tagen und damit über 17.300 Euro zusagte.

 

Bundesarbeitsgericht fragt den EuGH an

Das Bundesarbeitsgericht stellte in der Verhandlung eine entscheidende Sache fest: Der ehemaligen Arbeitnehmerin war von ihrem Arbeitgeber in der zurückliegenden Zeit nicht die Möglichkeit gegeben worden, den ihr zustehenden Urlaub auch tatsächlich zu nehmen. So legte die zuständigen Richter dem Europäischen Gerichtshof den Fall vor und fragten danach, ob es mit europäischem Recht vereinbar sei, dass der gesetzlich festgeschriebene Mindesturlaub bei fehlender Mitwirkung des Arbeitgebers nach drei Jahren verjähre und somit verfalle.

 

EuGH: Verjährung der Urlaubsansprüche nur möglich, wenn Urlaub auch genommen werden kann

Und die Luxemburger Richter sprachen ein eindeutiges Urteil. Arbeitgeber können sich nur auf die Verjährung von Urlaubsansprüchen der Arbeitnehmer berufen, wenn sie ihre Hinweispflicht dazu erfüllt haben. Wenn Arbeitgeber auch nach vielen Jahren mit weit zurückliegenden Ansprüchen konfrontiert werden, ist dies selbst verschuldet.

Einfach gesprochen: Urlaub kann nicht verloren gehen, wenn der Arbeitgeber nicht dazu auffordert. Urlaubsansprüche können also nur dann verfallen, wenn der Arbeitgeber die Inanspruchnahme des Urlaubs veranlasste und Angestellte eines Unternehmens tatsächlich die Möglichkeit hatten, den Anspruch auf Urlaub rechtzeitig anzuzeigen. Wird der Urlaub trotzdem nicht wahrgenommen, kann der Anspruch verfallen.

 

Unternehmen sollten Arbeitnehmer an Urlaub erinnern und dazu auffordern

Die Entscheidung des EuGH fällt in Anbetracht der bekannten Arbeitnehmerfreundlichkeit nicht überraschend aus. Auch in einer Entscheidung aus dem Jahr 2017, als zu einem britischen Fall geurteilt wurde, hatte der EuGH festgestellt, dass nicht erfüllte Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern rechtlich abgesichert sind, wenn diese rechtswidrig nicht erfüllt werden. Unternehmen sollten in Anbetracht der Entscheidungen aus Luxemburg sicherstellen, dass sie ihre Angestellten stets an ihren rechtlich zugesicherten Urlaub erinnern und gleichzeitig sicherstellen, dass dieser von den Angestellten auch rechtzeitig in Anspruch genommen wird.