Arbeitnehmer aufgepasst! Urlaub verfällt und verjährt nicht automatisch

Urlaub verfällt und verjährt nicht automatisch

Das Bundesarbeitsgericht hat kurz vor Weihnachten eine richtungsweisende Entscheidung bezüglich der Urlaubsansprüche von Mitarbeitern getroffen. Demnach verjährt Urlaub nur, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch vorher angezeigt hat (9 AZR 266/20).  Auch bei Krankheit eines Angestellten verfällt der Urlaub nicht. Mit dem Urteil setzen die Erfurter Richter Vorgaben des EuGH um, der schon im September zu dieser Thematik geurteilt hatte. Es zeigt sich: Im Urlaubsrecht wird nationales Recht zunehmend von europäischem Recht geprägt.

Steuerfachangestellte fordert Auszahlung von 101 Urlaubstagen

Im konkreten Streitfall hatte eine Steuerfachangestellte aus Nordrhein-Westfalen aufgrund ihrer hohen Belastung über einen mehrjährigen Zeitraum 101 verbleibende Urlaubstage angesammelt. Die seit 1996 im Unternehmen tätige Arbeitnehmerin wollte nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses im Juli 2017 die finanzielle Abgeltung dieser Urlaubstage geltend machen. Doch ihr Arbeitgeber machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Die Steuerkanzlei erklärte, dass die Urlaubstage verfallen und verjährt seien und wies die Forderung zurück. Es folgten mehrere Verhandlungen, da die Frau gegen die Zurückweisung des Arbeitgebers klagte. Das Arbeitsgericht Solingen verurteilte die Kanzlei zur Abgeltung von drei Urlaubstagen, das Landesarbeitsgericht Düsseldorf sagte der Klägerin die Abgeltung von weiteren 76 Arbeitstagen zu.

 

BAG setzt Vorgaben des EuGH um

Im September beschäftige sich der EuGH in Luxemburg mit dem Fall, da das Bundesarbeitsgericht den Fall dorthin verwiesen hatte. Hier wurden klare Pflöcke eingeschlagen: Arbeitgeber können sich nur auf die Verjährung von Urlaubsansprüchen der Arbeitnehmer berufen, wenn sie ihre Hinweispflicht dazu erfüllt haben. Wenn Unternehmen auch nach vielen Jahren mit weit zurückliegenden Ansprüchen konfrontiert werden, ist dies selbst verschuldet. Diese Richtlinie hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 20.12.2022 (9 AZR 266/20) übernommen. Urlaub verjährt demnach nur, wenn Arbeitgeber ihre Angestellten darauf hinweisen, dass sie (Rest-) Urlaub haben, der bei fehlender Inanspruchnahme erlischt. Sogar Ansprüche weit vergangener Jahre können geltend gemacht werden, wenn Arbeitnehmer nicht auf den berechtigen Urlaub der Angestellten hingewiesen haben. Eine dreijährige Verjährungsfrist nach nationalem Recht besteht in diesen Fällen nicht. Zudem entschieden die Arbeitsrichter in einem weiteren Fall, den sie zuvor dem EuGH vorgelegt hatten, dass Urlaub auch bei Krankheit nicht verfällt. Eine Krankenhausangestellte hatte geklagt, die über einen längeren Zeitraum erkrankt war und in diesem Jahr nicht ihren vollständigen Urlaub nehmen konnte.

 

Grundsatzurteil: Entscheidung mit weitgreifender Wirkung

Das gesprochene Urteil ist Wegweisend für Arbeitgeber und für Arbeitnehmer. Falls ein Arbeitgeber passiv ist, können Arbeitnehmer auch mehrere Jahre zurückliegende Urlaubansprüche geltend machen. Die deutsche Verjährungsfrist gilt hier nicht, ebenso wenig ein Verfall der Ansprüche bei langer Krankheit. Bekannte Arbeitsrechtler schließen eine Klagewelle infolge des Urteils nicht aus. Für Arbeitgeber bedeutet das in der Praxis, dass sie ihre Angestellten stets an ihren Urlaubsanspruch erinnern und sicherstellen sollten, dass ihre Mitarbeiter in der Lage sind, ihre freien Tage in Anspruch zu nehmen. Wer nicht aktiv wird und seine Initiativpflichten vernachlässigt, riskiert auch nach Jahren ein böses und teures Erwachen.

Wenn Sie konkrete Fragen zum Thema Urlaub im Arbeitsrecht haben oder Unterstützung bei der Durchsetzung von Ansprüchen benötigen, freuen wir uns auf Ihre Kontaktaufnahme. Unsere Anwälte stehen Ihnen zur Seite!