Aktuelles Urteil

Höhere Vergütung bei Überstunden auch für Teilzeitkräfte

Neue höchstrichterliche Entscheidungen im Arbeitsrecht stärken die Position von Angestellten mit Teilzeitverträgen. Demnach ist es eine unzulässige Diskriminierung, wenn tarifvertragliche Regelungen vorsehen, dass Überstundenzuschläge erst dann zu zahlen sind, wenn die Arbeitszeit einer Vollzeitstelle überschritten wird. Auch dann, wenn der betreffende Angestellte nur in Teilzeit beschäftigt wird.

Fehlen dafür sachliche Gründe, liegt eine Verletzung von Gleichbehandlungsgrundsätzen vor (BAG v. 5.12.2024 – 8 AZR 370/20).

 

Pflegekraft klagte auf Entschädigung wegen einer Diskriminierung

Im zugrunde liegenden Sachverhalt ging es um eine Pflegekraft eines Dialyseanbieters. Die Frau war dort in Teilzeit angestellt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war ein Manteltarifvertrag (MTV), der zwischen dem Arbeitgeber der Pflegekraft und der Gewerkschaft ver.di geschlossen worden war.

In § 10 Ziffer 7 Satz 2 dieses Manteltarifvertrages wurde geregelt, dass Überstunden mit einem Aufschlag von 30 % abzugelten sind, wenn diese im laufenden Kalendermonat nicht durch Zeitausgleich abgegolten werden können. Alternativ zu der Auszahlung des Zuschlags war ferner eine Gutschrift auf dem Zeitarbeitskonto möglich.

Voraussetzung dafür war indes, dass die Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten überschritten wurde. Heißt: Bei einer auf 20-Stundenbasis eingestellten Teilzeitkraft begannen die Überstunden nicht bereits ab der 21. Stunde zu zählen, sondern erst bei Überschreiten jener Stundenzahl, zu der in dem Betrieb die Vollzeitkräfte beschäftigt sind. Insofern wurde der Pflegekraft trotz einer Überschreitung ihrer vertraglichen Arbeitszeiten weder eine Gutschrift verbucht noch die besagten Überstundenzuschläge gezahlt.

Dagegen erhob die Frau zunächst Klage beim örtlichen Arbeitsgericht und forderte zudem eine Entschädigung wegen einer Diskriminierung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) – vergeblich.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) hingegen sprach der Klägerin die beanspruchte Gutschrift zu; der Entschädigungsanspruch wurde jedoch auch hier abgewiesen.

Erst vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) errang die Frau dann den begehrten Erfolg. Die Erfurter Richter legten die Rechtsfrage zuvor dem Europäischen Gerichtshof vor. Bezugnehmen auf die Stellungnahme des EuGH gab das BAG der Klägerin letztlich Recht. Sie erhielt sowohl die begehrte Gutschrift als auch eine Geldentschädigung nach dem AGG.

 

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG)

Das BAG stellte fest, dass die zugrundeliegende Regelung (§ 10 Ziff. 7 Satz 2 MTV) wegen Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten unwirksam war.

Ein sachlicher Grund für die vorliegende Ungleichbehandlung von Teilzeitkräften konnte durch die Beklagten nicht vorgetragen werden. Daraus resultierte der Anspruch der Klägerin auf die entsprechende Zeitgutschrift. Zudem wurde ihr eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zugesprochen, da die tarifvertragliche Regelung ferner eine mittelbare Benachteiligung aufgrund des Geschlechts dargestellt habe, da über 90 % der in Teilzeit Beschäftigten in jenem Betrieb, deren Anstellung besagter Manteltarifvertrag zugrunde lag, Frauen waren. Die Höhe der Entschädigung wurde auf 250€ festgesetzt.

Insofern stärkten die Richter die Position von Teilzeitkräften. Ihnen dürfte von nun an stets bei Überschreiten der individuellen Arbeitszeit ein Anspruch auf die jeweilige Überstundenregelung zustehen. Zumindest dann, wenn keine sachlichen Gründe vorliegen, die dem entgegenstehen.