Unfall beim Kaffeetrinken gilt als Arbeitsunfall

Kaffee, Kollaps und Konsequenzen: Wann ein Missgeschick beim Kaffeetrinken ein Arbeitsunfall ist

Ein scheinbar alltägliches Missgeschick – verschluckt beim Kaffeetrinken, gestürzt und verletzt – hat nun das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt beschäftigt. In seinem Urteil vom 22. Mai 2025 (Az. L 6 U 45/23) stellte das Gericht klar: Selbst ein solcher Vorfall kann unter bestimmten Umständen einen Arbeitsunfall darstellen – sofern der Kaffeegenuss betrieblichen Zwecken dient. Das Urteil wirft ein Licht auf die feinen Unterschiede zwischen privater Lebensführung und beruflich relevanten Tätigkeiten im Arbeitsalltag.

 

Was ist passiert?

Der Fall drehte sich um einen Vorarbeiter auf einer Baustelle, der während einer morgendlichen Besprechung im Baucontainer Kaffee trank. Dabei verschluckte er sich so stark, dass er die Besprechung hustend verließ, ins Freie ging, kurzzeitig das Bewusstsein verlor und stürzte. Die Verletzung: ein Nasenbeinbruch. Die Berufsgenossenschaft lehnte eine Anerkennung als Arbeitsunfall ab – mit der Begründung, das Kaffeetrinken sei rein privat motiviert gewesen. Auch das Sozialgericht folgte dieser Sichtweise in der ersten Instanz.

 

Warum das Landessozialgericht anders entschied

Das Landessozialgericht kam jedoch zu einer gegenteiligen Einschätzung. Zwar sei es grundsätzlich richtig, dass Essen und Trinken dem privaten Bereich zugeordnet werden, wenn sie ausschließlich der Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse dienen. Doch im konkreten Fall sei der Kaffeekonsum nicht nur Ausdruck persönlichen Dursts gewesen. Vielmehr habe das gemeinsame Kaffeetrinken im Rahmen einer verpflichtenden Besprechung eine betriebliche Funktion erfüllt.

Die Richter betonten, dass die morgendliche Besprechung selbst unstrittig eine betriebliche Veranstaltung war. Der Kaffee sei dabei mehr als nur ein Genussmittel gewesen: Er habe zur Konzentrationsförderung und zur Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit beigetragen. Zudem habe der Arbeitgeber das Kaffeetrinken aktiv unterstützt, indem er selbst die Vorräte auffüllte. In dieser Kombination habe der Kaffeekonsum eine arbeitsbezogene Komponente gehabt – und damit sei auch der daraus resultierende Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen.

 

Was das Urteil für die Praxis bedeutet

Das Urteil zeigt eindrucksvoll, wie stark der Kontext eines Geschehens für die rechtliche Bewertung im Sozialversicherungsrecht ist. Wer sich beim Kaffeetrinken verletzt, hat nicht automatisch Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung. Entscheidend ist, ob der konkrete Vorgang in einem erkennbaren Zusammenhang zur beruflichen Tätigkeit steht.

Das bedeutet für die Praxis: Arbeitgeber wie Arbeitnehmer sollten sich bewusst sein, dass alltägliche Handlungen wie das gemeinsame Frühstück, das Anstoßen auf ein Projekt oder eben das Kaffeetrinken nicht pauschal dem Privatbereich zugeordnet werden. Sobald solche Aktivitäten integraler Bestandteil des betrieblichen Ablaufs sind – etwa im Rahmen einer offiziellen Besprechung – können sie unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fallen.

Gleichzeitig unterstreicht das Urteil die Bedeutung betrieblicher Rahmenbedingungen. Wenn ein Arbeitgeber gewisse Tätigkeiten duldet, fördert oder gar selbst aktiv daran teilnimmt, kann dies die betriebliche Prägung solcher Handlungen verstärken – was im Fall eines Unfalls haftungsrechtlich relevant werden kann.

 

Fazit: Mehr als nur Kaffee

Die Entscheidung des LSG Sachsen-Anhalt zeigt, dass selbst der kurze Griff zur Kaffeetasse rechtliche Relevanz entfalten kann, wenn er im Kontext betrieblicher Abläufe steht. Für Arbeitnehmer bedeutet das: Es lohnt sich, auch unscheinbare Vorfälle nicht vorschnell als „Pech“ im privaten Bereich abzutun. Und für Arbeitgeber ergibt sich daraus die Notwendigkeit, den betrieblichen Rahmen von Alltagshandlungen – ob Besprechungen, Teeküchen oder Pausenrituale – genauer zu reflektieren.

Da das Landessozialgericht die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen hat, bleibt offen, ob die Rechtsprechung künftig weiter konkretisiert wird. Bis dahin bietet das Urteil eine klare Orientierung, wann aus einem harmlosen Kaffee ein rechtlich relevanter Vorfall wird.

 

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