EuGH Grundsatzurteil zum Kopftuchverbot am Arbeitsplatz

Religionsfreiheit vs. Kopftuchverbot am Arbeitsplatz – Ein Grundsatzurteil

Vermehrt tritt die Frage in den Vordergrund, ob es Arbeitgebern erlaubt ist, Vorgaben dahingehend zu machen, dass Arbeitnehmer am Arbeitsplatz keine religiösen Symbole tragen dürfen. Insbesondere das für viele Muslima identitätsstiftende Kopftuch ist immer wieder der Gegenstand von gerichtlichen Kontroversen. Zu diesem Komplex hat nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein mit Spannung erwartetes Grundsatzurteil gefällt.

Arbeitgeber müssen Grundrecht der Religionsfreiheit beachten

Grundsätzlich sind Vorgaben zur Bekleidung am Arbeitsplatz vom Weisungsrecht des Arbeitgebers umfasst. Dieses Weisungsrecht besteht jedoch nicht schrankenlos. Bei der Ausübung des Weisungsrechts haben Arbeitgeber auch die Grundrechte der Arbeitnehmer in ihre Erwägungen mit einzubeziehen und die gegenläufigen Interessen zu einem schonenden Ausgleich zu bringen. Hierzu zählen auch das Grundrecht der Religionsfreiheit nach Art. 4 GG bzw. Art. 10 der EU-Grundrechtecharta (EU GRCh) und der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz.

Der Wunsch des Unternehmens nach einem religiös neutralen Auftreten seiner Arbeitnehmer ist nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht ausreichend, um ein Kopftuchverbot am Arbeitsplatz zu rechtfertigen. Der Arbeitgeber muss darüber hinaus konkrete betriebliche Störungen oder Nachteile durch die religiöse Bekleidung seiner Arbeitnehmer geltend machen. Demnach steht nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts die unternehmerische Freiheit der Arbeitgeber hinter der Religionsfreiheit der Arbeitnehmer grundsätzlich zurück.

EuGH gibt Nationalstaaten einen eigenen Wertungsspielraum

Der EuGH hat in dem ihm vorgelegten Fällen entschieden, dass es mit dem EU-Recht vereinbar ist, wenn in einem Nationalstaat das Grundrecht der Religionsfreiheit stärker gewichtet wird als das Grundrecht des Arbeitgebers auf unternehmerische Freiheit. Da es zu der Frage der Gewichtung der einzelnen widerstreitenden Grundrechte keine Vorgaben aus dem EU-Recht gebe, verbleibe der dahingehende Wertungsspielraum bei den Nationalstaaten.

Damit hat der EuGH dem oben beschriebenen Vorgehen des BVerfG grünes Licht erteilt. Zugleich können jedoch andere Nationalstaaten der EU im Rahmen ihres Wertungsspielraumes in gegensätzlicher Weise entscheiden. So können diese festlegen, dass der unternehmerischen Freiheit der Arbeitgeber der Vorrang vor der Religionsfreiheit der Arbeitnehmer zukommt und diese demnach unter bestimmten Umständen ein Kopftuchverbot auch dann verhängen dürfen, wenn dies lediglich aufgrund der unternehmerischen religiösen Neutralität geschieht.

Auswirkungen auf die Praxis

In der Praxis wird diese Entscheidung in der Bundesrepublik Deutschland damit keine Änderung seit der Entscheidung des BVerfG in der aktuellen Rechtslage eintreten. Der EuGH hat das restriktive Vorgehen des BVerfG in dieser Frage gegen die Arbeitgeber gebilligt. Damit können Arbeitgeber ein Kopftuchverbot aufgrund der religiösen Neutralität des Unternehmens nur noch in solchen Fällen verhängen, in denen dem Unternehmen durch die religiöse Kleidung Nachteile oder erhebliche betriebliche Störungen drohen.