Bundesarbeitsgericht: „Equal Pay“ gilt nicht für Leiharbeiter

Bundesarbeitsgericht: „Equal Pay“ gilt nicht für Leiharbeiter

Leiharbeiter werden in vielen Fällen schlechter bezahlt als Stammbeschäftigte. Im Durchschnitt sind es 600 Euro weniger im Monat. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden, entschied jetzt das Bundesarbeitsgericht in einem viel beachteten Urteil (Urt. v. 31.05.2023, Az. 5 AZR 143/19).

Gleiche Arbeit – gleicher Lohn? Dieser Grundsatz gilt nicht immer! Das Bundesarbeitsgericht hat nach vorheriger Vorlage eines Falls an den Europäische Gerichtshof entschieden, dass Leiharbeiter und Stammarbeitnehmer nicht dasselbe Entgelt für die gleiche Beschäftigung bekommen müssen.

 

Leiharbeiterin von H&M klagt

Im konkreten Fall hatte eine Leiharbeiterin aus Bayern, die im Jahr 2017 mehrere Monate beim bekannten Modeunternehmen H&M eingesetzt war, gegen die finanzielle Ungleichbehandlung geklagt. Die Frau bekam für ihre Tätigkeit als Kommissioniererin 9,23 Euro Stundenlohn vergütet und somit vier Euro weniger als die Stammbelegschaft, die 13,64 Euro pro Stunde bezahlt bekam. Die Leiharbeiterin ging gemeinsam mit dem DGB Rechtsschutz durch die Instanzen und forderte, dass ihr der Lohnunterschied bezahlt werde. Dabei berief sich die Leiharbeiterin wegen der ungleichen Bezahlung auf den Gleichstellungsgrundsatz des §8 Abs. 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Darüber hinaus sei das auf ihr Leiharbeitsverhältnis anzuwendende Tarifwerk des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen und ver.di nicht mit Art.5 Abs. 3 Leiharbeitsrichtlinie und der dort vorgeschriebenen Achtung des Gesamtschutzes der Leiharbeitnehmer vereinbar.

 

Lücke im Europarecht ermöglicht Ausnahme von Equal-Pay

Für mehr als 800.000 Leihbeschäftigte in Deutschland dürfte das abschließende Urteil des Bundesarbeitsgerichts ernüchternd sein. Denn die Richter in Erfurt entschieden, dass in der Leiharbeit eine Ausnahme vom „Equal-Pay“-Grundsatz gemacht werden darf. Eine Lücke im Europarecht macht das möglich: Denn grundsätzlich gilt das Prinzip „gleiche Arbeit, gleicher Lohn“. Falls Leiharbeitsfirmen mit Gewerkschaften Tarifverträge schließen, besteht jedoch eine Ausnahme und es darf schlechter bezahlt werden. Kaum verwunderlich ist daher, dass die Tarifbindung in der Leiharbeit so hoch ist wie nirgends. Sie liegt bei 98 Prozent.

 

EuGH: Schlechtere Bezahlung Leihbeschäftigter in Ordnung, aber Ausgleich erforderlich

Zu berücksichtigen hatten die Richter ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs, der den Fall im Dezember 2022 selbst vom Bundesarbeitsgericht vorgelegt bekommen hatte. Damals hatten die Luxemburger Richter entschieden, dass Leihbeschäftigte zwar schlechter bezahlt werden dürfen, sie aber Anspruch auf einen anderweitigen Ausgleich haben, beispielsweise mehr Urlaubstage. Die Klägerin aus Bayern und der DGB Rechtsschutz beharrten darauf, dass in den Tarifverträgen kein Ausgleich für den verminderten Lohn vorgesehen war.

 

BAG sieht Ausgleich in Lohn für einsatzfreie Zeit

Das Gericht bestätigte dies zwar, sah den Ausgleich aber im Gesetz. In Deutschland wird nämlich auch die verleihfreie Zeit bezahlt. Das ist in anderen EU-Ländern nicht der Fall. Dieser Ausgleich sei der Leiharbeiterin auch sicher und könne nicht einfach umgangen werden. Zudem sei sichergestellt, dass die Verleiher das Wirtschafts- und Betriebsrisiko für verleihfreie Zeit tragen, das tarifliche Gehalt der Leiharbeiter die staatlich gesetzte Lohnuntergrenze und den gesetzlichen Mindestlohn nicht unterschreiten und nur in den ersten neuen Monaten des Leiharbeitsverhältnisses vom Equal-Pay-Grundsatz abgewichen werden dürfe. Da ein gesetzlich ausreichender Schutz und Kompensation gegeben sei, habe die Frau keinen Anspruch auf die Lohndifferenz.

 

Entscheidung über Einzelfall hinaus

Das Urteil aus Erfurt dürfte Signalwirkung haben und auch entscheidend für weitere Fälle von Leihbeschäftigten sein, die derzeit einen höheren Lohn einklagen wollen. Einen schweren Stand dürften nach dem Urteil die Gewerkschaften haben. Sie wurden von einem Richter des Bundesarbeitsgerichts im beschriebenen Fall befragt, weshalb die Gewerkschaften überhaupt Tarifverträge abschließen, die diese geringe Vergütung überhaupt erst möglich machen.