Kopftuch und Tattoos: Was Arbeitgeber verbieten können – und was nicht

Kopftuch und Tattoos: Was Arbeitgeber verbieten können – und was nicht

Der Wecker klingelt, schnell ins Bad, den Schlabberlook aus dem Schrank gekramt und den Laptop anschmeißen: Während der Corona-Pandemie haben sich viele Arbeitnehmer an die Jogginghose als legitime Arbeitskleidung gewöhnt. Im Home-Office interessiert es den Chef nicht, ob man Krawatte oder Unterhose trägt: Hauptsache, die Arbeiten werden pünktlich erledigt und der Arbeitnehmer ist zuverlässig erreichbar.

Doch jetzt, wo viele Arbeitnehmer ins Büro zurückkehren, erscheint ein für die letzten Monate verdrängtes Problem wieder vor den deutschen Arbeits- und Verwaltungsgerichten: Inwiefern darf der Arbeitgeber auf das äußere Erscheinungsbild des Arbeitnehmers einwirken?

Oftmals geht es dabei um Tätowierungen, Körperschmuck oder religiöse Symbole wie das Kopftuch. Eine eindeutige Rechtslage existiert in diesem Bereich nicht, daher treffen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht selten vor Gericht wieder.

Welche groben juristischen Rahmen es gibt, welche Unterschiede zwischen dem Staatsdienst und der freien Wirtschaft herrschen und wie Sie ihr Recht als Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestmöglich durchsetzen können, erfahren Sie in diesem Artikel!

Der Staatsdienst: Neutralität an erster Stelle

Eine wichtige Unterscheidung muss zu Beginn zwischen den verschiedenen Arten von Arbeitgebern getroffen werden, die es in Deutschland gibt. Beschäftigen wir uns zuerst mit dem Staatsdienst. Hierbei werden hoheitliche Tätigkeiten ausgeübt und es herrscht ein klassisches Ober- und Unterordnungsverhältnis vor.

Der deutsche Staat versteht sich als weltanschaulich und religiös neutral, daher müssen theoretisch alle Weltanschauungen gleichbehandelt werden. Ein Vorzug einer gewissen Lebensform oder eines gewissen Glaubens darf nicht zugelassen werden. Maßgebend ist hier allen voran das Verfassungsrecht, welches die vorherrschende Konstellation bestimmt.

Körperkunst: Wenn Tattoos zum Problem werden

Die gesellschaftliche Wahrnehmung von Tätowierungen und ihrer Wirkung hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Waren Körperbemalungen insbesondere im Staatsdienst bis vor Kurzem noch absolute No-Gos bei Einstellungsgesprächen, sind diese mittlerweile in großen Teilen der Gesellschaft ein akzeptierter Körperschmuck. Trotz allem werden allen voran im Polizeidienst Bewerber abgelehnt, wenn sie auffällige Tätowierungen tragen.

Ein Fall aus der Praxis: Das Verwaltungsgericht Düsseldorf musste sich mit einer Ablehnung eines Polizeianwärters beschäftigen, der ein großes Totenkopf-Tattoo trug. Das Land Nordrhein-Westfalen lehnte den Bewerber ab, da es in beschriebener Körperverzierung eine gewaltverherrlichende Aussage sah, die nicht mit den hoheitlichen Aufgaben eines Beamten vereinbar sei. Jedoch entschied das Verwaltungsgericht für den Polizeianwärter. Dieser verwies auf weitere Tätowierungen wie eine Taube, mit denen zusammen der Totenkopf ein Gesamtbild ergab. Das Verwaltungsgericht kam nach einer Prüfung zum Schluss, dass die Tätowierung im Gesamtzusammenhang keine Gewaltverherrlichung darstellte.

Mit hoheitlichen Aufgaben nicht vereinbar?

Trotzdem gibt der Fall vor dem Verwaltungsgericht in Düsseldorf eine grobe Übersicht, wenn es um Tätowierungen in einem staatlichen Arbeitsverhältnis geht. Eine wichtige Begründung für die Ablehnung eines Bewerbers ist gegeben, wenn der Körperschmuck nicht mit den hoheitlichen Aufgaben eines Staatsbediensteten vereinbar ist und den Werten der ausgeübten Tätigkeit übereinstimmt. Die Arbeitsgerichte müssen die jeweiligen Einzelfälle prüfen und dann entscheiden, ob dies tatsächlich so ist – oder der Staat als Arbeitgeber vorschnell und falsch gehandelt hat.

Kreuz und Kopftuch: Religiöse Symbole auf dem Prüfstand

Insbesondere religiöse Symbole beschäftigen die Gerichte in Deutschland immer wieder. Auch hier ist wiederum auf den Unterschied zwischen Staatsdienst und freier Wirtschaft hinzuweisen: Im Staatsdienst geht es um hoheitliche Aufgaben, ein Über- und Unterordnungsverhältnis sowie eine Vertretung des Staats. In der freien Wirtschaft geht es dagegen vorwiegend um die Kundenbeziehung, bei der der Arbeitgeber entscheiden muss, welche Kleidung und welche Symbole noch ansprechend sind und welche nicht.

Ein typischer Fall, der immer wieder vor den Gerichten in Deutschland verhandelt wird, ist der des Kopftuches bei der Ausübung staatlicher Tätigkeiten, allen voran bei Lehrerinnen. Entscheidend für das Urteil vor Gericht ist, welche Art von Funktion der Beamte oder die Beamtin hat: Ist er oder sie in einem Über- und Unterordnungsverhältnis und in welcher Form als Repräsentant des Staats tätig?

Allgemein muss die religiöse Neutralität immer im Vordergrund stehen. In Abwägung der Tätigkeit im öffentlichen Dienst kann aber auch auf die verfassungsmäßige Garantie auf Religionsfreiheit verwiesen werden, was Arbeitnehmer vor Gericht oftmals tun. So kann beispielsweise das Tragen eines Kopftuches für die eine Beamtin erlaubt sein, für eine andere jedoch nicht!

Ein wichtiges Entscheidungskriterium für die Gerichte bleibt bei religiösen Symbolen jeder Art die Sichtbarkeit. Dabei wird ein kleines religiöses Symbol, das um den Hals getragen wird, anders bewertet als ein Kopftuch, das eindeutig sichtbarer ist.

Privatwirtschaft: Bestimmt der Chef meine Kleidung?

Ähnlich wie im Staatsdienst sieht es in der freien Wirtschaft aus. Hier ist die Konstellation jedoch nicht von einem vorherrschenden Über- und Unterordnungsverhältnis bestimmt, sondern vom Kundenbeziehungsbereich. Beispielsweise, wenn eine gewisse Kleiderordnung eingehalten werden soll, die zum jeweiligen Unternehmen passt. So sind in einem Casino sicherlich andere Maßstäbe zu setzen wie in einem Reinigungsjob.

Grundsätzlich gilt: Ist eine bestimmte Kleiderordnung im Unternehmen angeordnet, ist diese durch die Arbeitnehmer zu akzeptieren und einzuhalten. Dies gebieten die unternehmerische Freiheit sowie die Festlegung bestimmter Kleidung im unterschriebenen Arbeitsvertrag. Verstöße können mit arbeitsrechtlichen Sanktionen und einer Freistellung bedacht werden!

Entsprechende Urteile aus dem Sommer 2021 des Europäischen Gerichtshofes bestätigen diese vorherrschende Rechtslinie. Nachweisen müssen die Unternehmen dabei eine Durchgängigkeit und ein wirtschaftliches Bedürfnis, oft zusammengefasst unter dem Schlagwort der Neutralität. Im Idealfall werden somit alle groß sichtbaren religiösen Symbole im Unternehmen verboten, ganz egal ob christlich, muslimisch oder jüdisch.

Klagende Arbeitnehmer: Abwarten und Tee trinken?

Klagen Mitarbeiter gegen eine bestimmte Kleiderordnung ergibt sich für den Arbeitgeber oft eine schwierige Situation. Die Gerichtsverfahren können sich oft über Jahre ziehen, ein Rechtsrisiko bleibt ständig präsent. Daher ist es für Unternehmen ratsam, sich nicht nur auf die Justiz zu verlassen und den Mitarbeiter stattdessen weiter in anderer Verwendung zu beschäftigen. Sinnvoll ist es, einen anderen Arbeitsplatz anzubieten oder eine Änderungskündigung ins Auge zu fassen. So bleibt der finanzielle Schaden im Rahmen und die Arbeitskraft des Angestellten kann weiter genutzt werden.

Warten Sie nicht ab, sondern schaffen Sie Alternativen!

Fazit: Es kommt auf den Einzelfall und die Verhältnismäßigkeit an!

Zusammenzufassend ist festzuhalten, dass die zuständigen Gerichte immer den genauen Einzelfall betrachten und anhand dessen entscheiden müssen, ob eine Klage des Arbeitnehmers gerechtfertigt ist. Eine durchgängige Rechtslinie gibt es zu Tattoos, Kopftüchern und der Kleiderordnung am Arbeitsplatz nicht. Ratsam für jedes Unternehmen ist es daher, eine größtmögliche Neutralität anzustreben. So schützen Sie sich und schaffen eine gute Grundlage für eventuelle Rechtsstreitigkeiten.

Als Arbeitgeber ist eine gewisse Toleranz gegenüber den Entscheidungen des Arbeitgebers von Vorteil. Gerichtsurteile zeigen, dass dem Staat sowie den Unternehmen der freien Wirtschaft bestimmte Rechte zustehen. Klagen sind ratsam, falls Sie tatsächlich ihren Arbeitsplatz verlieren sollten oder eine Stelle nicht antreten können. Falls Sie sich zu Unrecht abgelehnt fühlen, klagen Sie ihr Recht ein. Der Fall aus Düsseldorf hat gezeigt, dass Gerichte mittlerweile viel moderner argumentieren. Wir stehen an Ihrer Seite!