Mitschuld bei unverschuldetem Unfall wegen hoher Geschwindigkeit

Mitschuld bei unverschuldetem Unfall wegen hoher Geschwindigkeit

Wer einen Autounfall verschuldet, der muss alles bezahlen. Oder nicht?

Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein hat in einem Urteil vom 15. November 2022 (7 U 41/22) entschieden, dass eine Geschwindigkeit von 160 Kilometer pro Stunde und mehr, und damit mindestens 30 km/h über Richtwert, dazu führen kann, dass Autofahrer bei einem Auffahrunfall in Mithaftung gezogen werden können. Das gilt auch, wenn der Auffahrende keine Schuld am Unfall trägt.

 

Auffahrunfall: Kollision mit 200 km/h

Im konkreten Fall stieß der Fahrer eines Wagens mit einer weiteren Autofahrerin zusammen, die aufgrund langsam fahrender Fahrzeuge auf der Mittel- gerade auf die Überholspur der Autobahn gewechselt war. Während die Frau 120 bis 140 Stundenkilometer schnell fuhr, war der Mann mit knapp 200 km/h unterwegs. Aufgrund des Missverhältnisses bei der Geschwindigkeit kollidierten die beiden Fahrzeuge. Im Nachgang beharrte die Frau auf ihrer Sicht, sich schon mehrere Sekunden vor der Kollision auf der Überholspur befunden zu haben. Der Unfall sei ausschließlich wegen der überhöhten Geschwindigkeit des Mannes passiert.

 

Richter stellen Schuld der Autofahrerin fest

Dieser wiederum erklärte, sofort eine Vollbremsung eingeleitet zu haben. Die Frau habe sich noch nicht auf der Überholspur befunden, sondern sei erst kurz vor dem Unfall nach links gezogen, so der Autofahrer. Da außergerichtlich keine Lösung gefunden werden konnte, landete der Fall schließlich bei den dafür zuständigen Richtern. Nach Zeugenaussagen und Sachverständigen-Gutachten zeigte sich die Justiz überzeugt, dass die Version der Frau, schon zehn Sekunden lang auf der Überholspur gewesen zu sein, als es zum Auffahrunfall kam, nicht stimmen konnte. Aufgrund guter Sichtverhältnisse und Sonnenschein hätte ein auffahrendes Fahrzeug bemerkbar sein müssen.

 

Teilerfolg für die Klägerin

Die Richter gingen von einem Verstoß nach § 7 Absatz 5 Satz 1 StVO (Benutzung von Fahrstreifen durch Kraftfahrzeuge) aus. Somit treffe die Frau die Hauptschuld an der Kollision. Das etwas Überraschende am Urteil: Auch der schnell fahrende Mann hat eine Mithaftung von 25 Prozent zu tragen. Aufgrund der klaren Überschreitung der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h hat sich die Betriebsgefahr seines Autos deutlich gesteigert, was Haftungsrelevanz nach sich zieht. Der Fahrer hätte davon ausgehe müssen, dass sich andere Verkehrsteilnehmer nicht auf die stark erhöhte Geschwindigkeit und damit veränderte Fahrweise einstellen können, begründete das Oberlandesgericht die Entscheidung. Bei einer Überschreitung der Richtgeschwindigkeit von 30 km/h oder weniger könne von keiner Mithaftung aus der Betriebsgefahr ausgegangen werden.

 

Auch ohne Fehler können Kosten entstehen

Eine Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen. Damit muss der Autofahrer, der keinen Fahrfehler beging, 25 Prozent des Schadens der Klägerin bezahlen. Der Fall aus Schleswig-Holstein zeigt klar, dass die Betriebsgefahr eines Wagens dafür sorgen kann, dass Autofahrer in bestimmten Fällen auch ohne Fahrfehler Unfallkosten mittragen müssen. Zu schnelles Fahren kann also teuer werden!

Jedoch sind Fälle dieser Art oft strittig, eine genaue Beweisführung mitunter schwierig. Lassen Sie sich daher in jedem Fall anwaltlich beraten, bevor Sie freiwillig einen Schaden übernehmen, für den Sie gar nichts können.