Ist der Verstoß gegen Corona-Schutzvorschriften ein Kündigungsgrund?

Ist der Verstoß gegen Corona-Schutzvorschriften ein Kündigungsgrund?

Das Coronavirus und der Umgang mit ihm spaltet die Gemüter. Während die einen immer mehr Regelungen und Einschränkungen fordern und gutheißen, sehen die anderen diese Maßnahmen als sinnlos und unzweckmäßig an. Dementsprechend fordern diese, sämtliche Einschränkungen zu beseitigen.

Zwischen diesen Positionen sitzen die Arbeitgeber. Ihre Position wird dadurch verschärft, dass Sie von einer straf- und zivilrechtlichen Haftung bedroht sind, wenn Sie die von der Regierung vorgegebenen Maßnahmen nicht korrekt umsetzen. Darüber hinaus kommt Ihnen auch eine soziale Verantwortung und die Fürsorgepflicht für die eigenen Arbeitnehmer zu. Und als wäre das noch nicht genug, hängt über ihnen das stetige Damoklesschwert der Betriebsschließung im Infektionsfall.

Die Arbeitnehmer wiederum trifft das Rücksichtnahmegebot aus § 241 BGB gegenüber den Arbeitskollegen und dem Arbeitgeber, sowie die Pflicht, Weisungen des Arbeitgebers folge zu leisten. Doch wie weit gehen Rücksichtnahmegebot und Weisungsrecht?

Corona-Schutzvorschriften im betrieblichen Bereich

Es ist zunächst zu unterscheiden, ob sich der Arbeitnehmer im betrieblichen oder außerbetrieblichen Bereich bewegt. Auch das Verhalten im privaten Raum kann möglicherweise Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis haben, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Im Betrieb und während der Arbeitszeit gelten jedoch weit strengere Pflichten.

So hat der Arbeitnehmer im betrieblichen Bereich die vom Arbeitgeber aufgestellten Regelungen zu befolgen, ob er diese nun für sinnvoll erachtet oder nicht. Neben der Pflicht zur Rücksichtnahme auf Kollegen, die ggf. wegen einer Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe besonders schützenswert sind, gilt das Weisungsrecht des Arbeitgebers.

Verstößt der Arbeitnehmer gegen diese Pflichten, kann er durch den Arbeitgeber abgemahnt werden. In besonders schweren Fällen kann auch eine ordentliche oder gar eine außerordentliche Kündigung die Folge sein. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn ein Arbeitnehmer, der die Existenz oder Gefährlichkeit des Coronavirus bezweifelt, einen anderen Arbeitnehmer bewusst anhustet oder anniest. Auch wenn hieraus keine Infektion folgt, rechtfertigt ein solch rücksichtsloses Verhalten am Arbeitsplatz eine fristlose Kündigung.

Liegt indes nur ein geringer Verstoß vor, etwa da ein Arbeitnehmer aus Nachlässigkeit vergessen hat, beim Gang zur Toilette eine Maske aufzusetzen, würde eine fristlose Kündigung über das Ziel hinausschießen. In solchen Fällen sollte allenfalls eine Abmahnung erfolgen.

Corona-Schutzvorschriften im privaten Bereich

Schwieriger wird die Einschätzung jedoch, wenn es um ein Verhalten des Arbeitnehmers im Privatbereich geht. Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer frei in der Gestaltung seines Privatlebens. Auch Straftaten im Privatbereich haben grundsätzlich keine Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis. Etwas anderes gilt jedoch, wenn das Verhalten im privaten Bereich auf den Arbeitsplatz ausstrahlt oder ein Bezug zum Arbeitgeber bspw. durch das Tragen von Dienstkleidung hergestellt wird.

Nimmt also ein Arbeitnehmer in Dienstkleidung an einer Demonstration Teil, kann dies regelmäßig arbeitsrechtliche Konsequenzen haben. Etwas anderes gilt hingegen, wenn der Arbeitnehmer dies in seiner Privatkleidung tut.

Gerade in Zeiten der Corona Krise sorgt dies für neuerliche Diskussionen. Es werden Stimmen laut, welche fordern, dass sogenannte „Corona Leugner“ auch dann arbeitsrechtlich (bis hin zu einer fristlosen Kündigung) belangt werden können, wenn diese an einer entsprechenden Demonstration teilnehmen. Dasselbe soll möglich sein, wenn diese im privaten Bereich beharrlich gegen die Maßnahmen aus den Landesverordnungen (wie die Maskenpflicht am Arbeitsplatz) verstoßen. Dem Widersprechen gemäßigtere Stimmen, welche auf die bestehende Trennung von Arbeits- und Privatleben hinweisen. Eindeutige Entscheidungen aus der Rechtsprechung in Bezug auf die aktuelle Corona-Situation bestehen bisher noch nicht.

Grenzfall am Arbeitsgericht Osnabrück

Vor dem Arbeitsgericht in Osnabrück landete ein Grenzfall. Ein Arbeitnehmer hatte im März 2020, nachdem der Lockdown verhängt war, ein Bild mit der Überschrift „Quarantäne bei mir“ veröffentlicht, auf dem er mit 5 weiteren Personen am Boden zusammensaß und ohne Abstand Karten spielte. Arbeitskleidung oder andere Bezüge zu seinem Arbeitsplatz waren aus dem Bild nicht ersichtlich. Dennoch kündigte ihm sein Arbeitgeber daraufhin fristlos.

Eine Entscheidung in der Sache blieb allerdings aus, da sich die Parteien letztlich auf einen Vergleich einigten. Der Fall zeigt jedoch, dass es durchaus zu schweren Abgrenzungsfragen kommen kann. Es stellt sich die Frage, inwieweit aus dem Verhalten des Arbeitnehmers im Privatbereich Rückschlüsse darauf gezogen werden können, ob er die Infektionsschutzregelungen im betrieblichen Bereich respektieren und einhalten wird.

Die wichtigsten Schutzvorschriften

Neben den sogenannten AHA-Regeln besteht ein weitverzweigtes Regelungssystem von Landesverordnungen, welche auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes erlassen wurden. Überdies trifft den Arbeitgeber gem. § 3 und 5 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz die Pflicht, die für seine Beschäftigten bestehende Gefahr am Arbeitsplatz zu ermitteln und entsprechende Gegenmaßnahmen zu treffen.

Hierbei hat er insbesondere den SARS-CoV-Arbeitsschutzstandart (C-ASS) vom April 2020 sowie die SARS-CoV-2 Arbeitsschutzregel (C-ASR) vom August 2020 zu berücksichtigen.

Nach § 15 Arbeitsschutzgesetz sind die Arbeitnehmer verpflichtet, diesen Weisungen des Arbeitgebers folge zu leisten. Ihnen steht auch das Recht zu, Vorschläge an den Arbeitgeber zu richten. Ob und inwieweit er diese berücksichtigt, liegt hingegen allein beim Arbeitgeber.

Vorgehen mit Rücksicht und Augenmaß

Arbeitgeber sollten mit Augenmaß vorgehen und nicht vorschnell eine fristlose Kündigung aussprechen. Arbeitnehmer hingegen sollten dringend die betrieblichen Infektionsschutzmaßnahmen einhalten und sich gemäß ihrer Rücksichtnahmepflicht gegenüber dem Arbeitgeber verhalten.

Kommt es dennoch zu Unstimmigkeiten, so ist beiden Seiten – gerade angesichts der unüberschaubaren Situation – dringend anzuraten, Rechtsrat bei einem erfahrenen Anwalt für Arbeitsrecht einzuholen.

Sie haben Fragen zum Thema Corona-Schutzvorschriften im Arbeitsleben oder haben einen Streitfall? Unsere Anwälte stehen Ihnen zur Seite und beraten oder vertreten Sie kompetent. Rufen Sie jetzt an oder schreiben Sie uns über das Kontaktformular:

06173 – 318 170

info@haas-eschborn.de

Rudolf-Diesel-Str. 5, 65760 Eschborn bei Frankfurt

Zum Kontaktformular

Anwälte und Fachanwälte in Eschborn bei Frankfurt