Kontrolle der Arbeitszeit über Kamera am Werkstor ist unzulässig

Kontrolle der Arbeitszeit über Kamera am Werkstor ist unzulässig

Kameras am Werkstor eines Betriebes eignen sich nicht zur Arbeitszeitkontrolle der Angestellten. Ein entsprechendes Urteil trafen die Richter des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen. Im konkreten Fall hatte ein Gießereibetrieb Mitarbeiter wegen Arbeitszeitbetrugs entlassen wollen und hatte als Beweis auf die Videoaufnahmen am Werkstor des Betriebs verwiesen. Die Kündigung ist nach dem Urteil nicht wirksam, die Revision zum Bundesarbeitsgericht ist bereits eingelegt.

Arbeitszeitbetrug von Angestellten wird in den allermeisten Fällen mit Kündigung vom Arbeitgeber bestraft. Jedoch kann als Beweismittel hierfür nicht die Videoüberwachung am Werkstor herangezogen werden. Dies entschied das Landesarbeitsgericht Niedersachsen in einem Urteil von Juli 2022 (8 Sa 1150/20). Die fristlose Kündigung eines Beschäftigten ist zunächst aufgehoben.

 

Arbeitszeitbetrug in Gießerei: Fristlose Kündigung eines Angestellten

Im konkreten Fall hatte die Belegschaft dem Geschäftsführer einer Gießerei gemeldet, dass einige Angestellte Arbeitszeitbetrug begehen würden. Der konkrete Vorwurf: Die Beschäftigten würden nach der elektronischen Erfassung der Anwesenheit zu Arbeitsbeginn das Gelände des Betriebs wieder verlassen und erst am Ende der Schicht wieder dorthin zurückkehren. Da es sich hier offensichtlich um eine gezielte Manipulation der Arbeitszeit handelte, entließ der Chef der Gießerei einen Beschäftigten. Als Beweismittel zog der Arbeitgeber hier die elektronische Anwesenheitserfassung sowie die Videoaufzeichnungen der Eingangstore seines Betriebes heran.

 

Kündigung gestoppt: Videoaufzeichnungen als Beweismittel sind tabu

Die zuständigen Richter aus Niedersachsen beschäftigten sich im anschließenden Prozess allen voran mit der Frage, ob die vom Betrieb getätigten Videoaufzeichnungen als Beweismittel gültig sind oder eben nicht. Die klare Entscheidung des Landesarbeitsgerichts: Die Kündigung ist nicht wirksam, da die angeführten Beweise des Arbeitgebers tabu sind. Zwar könnten Pflichtverstöße bei der Arbeitszeiterfassung, beispielsweise eine Manipulation von Arbeitszeitformularen, durchaus zu einer außerordentlichen Kündigung führen, doch kann dies im konkreten Fall nicht über die vorgelegten Beweismittel begründet werden. Dazu gehören:

  • Kartenlesegeräte zur elektronischen Anwesenheitserfassung
  • Videoaufzeichnungen und Kameramaterial

 

Kartenlesegeräte und Videoaufzeichnungen sind keine geeigneten Beweismittel

Bei ersterem handelt es sich um personenbezogene Daten, die nicht anderweitig verwendet werden dürfen. Da dies in einer Betriebsvereinbarung klar geregelt ist, fällt dieses Beweismittel zum Nachweis von Manipulationen von Anwesenheit im Betrieb aus. Ebenso wenig verwendbar ist das Bildmaterial von hausinternen Kameras, da die Firma auf Hinweistafeln selbst darauf verwies, dass die Aufzeichnungen nur 96 Stunden gespeichert werden. In einem später stattfindenden Prozess taugen die Videoaufzeichnungen nicht als Beweismittel, da der Arbeitgeber sonst gegen seine eigenen Richtlinien verstößt. Selbst eine Einwilligung des Betriebsrats zur Verwendung der Bilder ändere daran nichts. Für Kameraaufzeichnungen gilt ein Beweisverwertungsverbot, wenn diese nicht datenschutzkonform angefertigt wurden.

 

Allgemein gilt: Keine Videoüberwachung zur Arbeitszeitkontrolle

Darüber hinaus stellte das Landesarbeitsgericht fest, dass die Videoüberwachung am Werkstor nicht angemessen oder erforderlich zur Arbeitszeitkontrolle sei. Schließlich beginne die eigentliche Arbeit nicht mit dem Betreten des Geländes, sondern mit dem Start der zu verrichtenden Tätigkeit. Allgemein kann aus dem Urteil herausgelesen werden, dass Videoaufzeichnungen am Arbeitsplatz weiterhin ein äußerst sensibles Thema sind. Nur bei datenschutzkonformer Anwendung können Videoaufzeichnungen als Beweismittel vor Arbeitsgerichten herangezogen werden, dies ist in den wenigsten Betrieben der Fall.

Das Urteil aus Niedersachsen ist noch nicht rechtskräftig. Der Arbeitgeber hat Revision eingelegt.