Arztbesuch während der Arbeitszeit – was besagt das Arbeitsrecht?
Einen Arzttermin zu finden ist für viele Bürger mittlerweile sehr schwer geworden. Die Termine werden weniger, der Arztpraxen rarer und die Sprechstunden kürzer. Zudem macht vielen Arbeitnehmern zu schaffen, dass sie aufgrund beruflicher Verpflichtungen oftmals wenig Zeit haben. Können Arztbesuche also auch innerhalb der im Arbeitsvertrag vereinbarten Arbeitszeit absolviert werden, um den langen Warteschlangen nach dem Feierabend zu entkommen? Wir haben die wichtigsten Punkte für Sie zusammengefasst.
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Sollten Arztbesuche in der Regel in der Freizeit absolviert werden?
Ja. Grundsätzlich gilt ein Arztbesuch als Privatsache und ist daher in der Zeit vor Arbeitsbeginn oder danach zu legen. Das gilt gleichermaßen für Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte. Die Regel gilt, solange dies dem Arbeitnehmer möglich und zumutbar ist. Gerade bei Teilzeitbeschäftigten ist dies eher der Fall, da sie mehr freie Zeit zur Verfügung haben als Vollzeitbeschäftigte. Grundsätzlich gilt: Ein Arztbesuch während der Arbeitszeit muss medizinisch dringend notwendig sein. Falls das nicht der Fall ist und ein Arzttermin wahrgenommen wird, der auch in der Freizeit hätte absolviert werden können, besteht das Risiko einer Abmahnung.
Muss der Arbeitgeber über den Arztbesuch während der Arbeitszeit informiert werden?
Falls es Beschäftigten nicht gelingt, den Arztbesuch außerhalb ihrer Arbeitszeit zu legen, ist zwingend der Arbeitgeber zu informieren. Zudem bietet es sich für Arbeitnehmer an, die medizinische Notwendigkeit durch den behandelten Arzt sowie den Umstand, dass kein anderer Termin möglich war, bescheinigen zu lassen.
Muss der Arbeitgeber über einen Arztbesuch im Homeoffice informiert werden?
Im Homeoffice gelten dieselben Regeln wie bei der Arbeit vor Ort. Die Arbeitnehmer sind angehalten, Arztbesuche möglichst außerhalb der Arbeitszeit wahrzunehmen. In einigen Fällen (siehe Punkt 4) sind Arzttermine auch während der Arbeitszeit möglich. Auch im Homeoffice ist der Arbeitgeber dringend zu informieren.
In welchen Fällen können Arztbesuche während der Arbeitszeit wahrgenommen werden?
Wie in Punkt 1 dargestellt, sind Arztbesuche grundsätzlich in der Freizeit zu absolvieren. Doch gibt es drei Ausnahmen davon:
- Bei akuten Erkrankungen,
- speziellen Untersuchungen zu festen Uhrzeiten oder
- Behandlungen bei Fachärzten, die den Termin vorgeben.
In diesen Fällen hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Freistellung von Arbeitgeberseite. Insbesondere bei akuten Erkrankungen ist es dem Angestellten nicht zumutbar, auf einen Termin außerhalb seiner üblichen Arbeitszeiten zu warten. Dies ist insbesondere bei Fiebererkrankungen, Grippe oder frischen Verletzungen nach Unfällen der Fall. Zudem kann das Aufsuchen des Arbeitsplatzes bei akuten Erkrankungen aufgrund von Ansteckungsrisiken eine Gefahr für die weitere Belegschaft darstellen oder sich der gesundheitliche Zustand des Angestellten noch weiter verschlechtern, was für eine längere Ausfallzeit sorgt. Falls ein Arbeitnehmer für einen Arztbesuch freigestellt werden muss, gilt das auch automatisch für den direkten Hin- und Rückweg zur Praxis.
Kann der Arbeitgeber seine Angestellten auf Ärzte mit arbeitsfreundlicheren Sprechzeiten verweisen?
Bei Behandlungen durch Fachärzte darf der Arbeitgeber nicht einfach auf mögliche andere behandelnde Mediziner verweisen, deren Sprechzeiten womöglich arbeitsfreundlicher liegen. Der Arbeitnehmer darf seinen Arzt frei auswählen, sollte die Termine jedoch möglichst am Beginn oder Ende eines Arbeitstages wahrnehmen. Dadurch kann der Dienstausfall geringgehalten werden.
In welchen Fällen können Arztbesuche nicht während der Arbeitszeit wahrgenommen werden?
Der Arbeitgeber kann den Arztbesuch während der Arbeitszeit verweigern, wenn es sich um routinemäßige Vorsorgeuntersuchungen handelt, die mehrere Wochen im Voraus planbar und nicht eilbedürftig sind. Hierunter fallen neben der klassischen Vorsorgeuntersuchung und lange im Voraus planbare Tests wie auf Allergien oder Unverträglichkeiten auch kleinere Eingriffe, die auf die aktuelle Gesundheit des Mitarbeiters keinen direkten Einfluss haben und die Arbeitsfähigkeit nicht einschränken (eingerissener Fingernagel oder abgebrochener Zahn).
Ist ein Arztbesuch während der Gleitzeit möglich?
Die Gleitzeit hat den Vorteil, dass ein Arbeitnehmer nur zu einer im Arbeitsvertrag genannten Kernarbeitszeit fest arbeiten muss und den Rest seiner Arbeitsintervalle relativ frei wählen kann. Liegt der Arzttermin außerhalb der Kernarbeitszeit, ist es in den allermeisten Fällen möglich, den Arzttermin wahrzunehmen und die ausgefallene Zeit vor- oder nachzuarbeiten. Liegt der Termin in der Kernarbeitszeit, gelten ähnliche Regelungen wie bei normalen Arbeitnehmern. Hier können dann Minusstunden für den Arbeitnehmer anfallen, die es nachzuarbeiten gilt. Zudem urteilten Gerichte schon, dass Gleitzeitarbeiter in solchen Fällen keinen Anspruch auf Vergütung haben.
Bekommen Arbeitnehmer trotz eines Arztbesuchs während der Arbeitszeit vollen Lohn?
Nach § 616 Bürgerliches Gesetzbuch erhält ein Arbeitnehmer weiter vollen Lohn für die Zeit, in der er unverschuldet und aus persönlichen Gründen nicht arbeiten kann. Somit besteht auch bei einem Arztbesuch während der Arbeitszeit (der natürlich vorher mit dem Arbeitgeber abzustimmen ist und den beschriebenen Kriterien in Punkt 4 entspricht) der Anspruch auf volle Bezahlung. Achtung: Für Teilzeitbeschäftigte kann es äußert schwer sein, einen Arztbesuch während ihrer Arbeitszeit zu begründen. Hier besteht die Gefahr, dass kein Anspruch auf Lohnfortzahlung besteht.
Welche Regeln gelten bei Arztbesuchen während der Schwangerschaft?
Hier gibt das Mutterschutzgesetz die Rahmenbedingungen vor. Der Arbeitgeber ist demnach verpflichtet, Frauen für Untersuchungen, die von der gesetzlichen Krankenversicherung gedeckt sind, bezahlt freizustellen.
Welche Regeln gelten bei schwerbehinderten Mitarbeitern?
Es gelten keine Sonderregeln für Schwerbehinderte. Sie haben grundsätzlich Anspruch auf eine zusätzliche Urlaubszeit von einer Woche und damit fünf zusätzlichen Urlaubstagen.
Welche Regel gilt, wenn das Kind des Arbeitnehmers erkrankt?
Falls ein Kind oder mehrere Kinder des Arbeitnehmers erkranken, gelten die gleichen Regelungen wie bei einer eigenen Erkrankung. Während der Arbeitszeit muss der Arztbesuch mit den Kindern medizinisch notwendig, an eine feste Uhrzeit gebunden oder durch Fachärzte vorgeschrieben sein. Auch in diesen Fällen ist eine Bescheinigung vonseiten des behandelnden Arztes sinnvoll.
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