WhatsApp-Chatgruppen: Beleidigung gegen Vorgesetzten kann zur Kündigung führen

WhatsApp-Chatgruppen: Beleidigung gegen Vorgesetzten kann zur Kündigung führen

Wenn in einer privaten Chatgruppe beleidigende Inhalte gegen Vorgesetzte oder Kollegen geäußert werden, kann dies eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Das entschied das Bundesarbeitsgericht in Erfurt jüngst in einem Fall von sieben Arbeitskollegen, die bei einer Fluggesellschaft angestellt waren und sich über ihre Arbeit in einer WhatsApp-Gruppe austauschten. Dabei fielen auch wüste Beschimpfungen gegen einen der Chefs. Während Arbeits- und Landesarbeitsgericht den Arbeitnehmern recht gab, entschied das Bundesarbeitsgericht anders (Urteil vom 24.08.23 – 2 AZR 17/23).

Mittlerweile gehören WhatsApp-Gruppen zum Alltag vieler Menschen einfach dazu. Die Gruppenfunktion des Messenger-Dienstes erleichtert unsere Kommunikation im Alltag, ganz egal ob es um die Familiengruppe oder um die Sportkameraden des örtlichen Fußballvereins geht. Oftmals schließen sich auch Arbeitskollegen in genannten Gruppen zusammen, um schnell und unkompliziert Absprachen treffen zu können und sich das Schreiben unzähliger E-Mails zu ersparen. Doch was passiert eigentlich, wenn in Chatgruppen dieser Art, auch wenn diese privat gehalten werden, Beleidigungen gegen Vorgesetzte geäußert werden? Kann ein Verhalten dieser Art zu einer außerordentlichen Kündigung führen? Das Bundesarbeitsgericht urteilte jetzt: Unter Umständen ja!

 

Sieben Arbeitskollegen bilden eine Chatgruppe – und beleidigen Vorgesetzte

Im konkreten Fall hatten sechs befreundete Arbeitskollegen aus Niedersachsen, die bei einer Fluggesellschaft angestellt waren, im Jahr 2014 eine WhatsApp-Gruppe gebildet und dort über Jahre Nachrichten ausgetauscht, wobei 2020 ein weiterer ehemaliger Kollege aufgenommen wurde. In der Gruppe kam es zu wüsten Beleidigungen gegen einen ihrer Chefs und andere Arbeitskollegen, wobei eine Kopie der schlimmsten Kränkungen in Form eines 316-seitigen Dokuments über den Betriebsrat an den Personalchef gelangten. Die Sichtung der Unterlagen offenbarte Äußerungen in „stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise“.

 

Arbeitnehmer gehen gegen Kündigungen vor

Die beleidigenden Chats blieben nicht folgenlos. Es folgten außerordentliche Kündigungen von Arbeitgeberseite, denen der Betriebsrat zustimmte. Mehrere Arbeitnehmer zogen dagegen vor Gericht, unter anderem ein Kläger, der seit dem Jahr 2000 mit der Fluggesellschaft in einem Arbeitsverhältnis stand. Und zunächst verlief der Rechtsstreit sehr erfolgreich für den früheren Mitarbeiter. Das Arbeitsgericht Hannover und dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen entschieden, dass die Kündigung unwirksam sei. Somit gaben beide Instanzen der Kündigungsschutzklage statt. Das Landesarbeitsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass Äußerungen in privaten Chatgruppen verfassungsrechtlichen Schutz genießen würden und nicht als Grund für die außerordentliche Kündigung herangezogen werden könnten. Zwar seien die Äußerungen grundsätzlich als wichtiger Grund geeignet, jedoch habe der Kläger in den Chats darauf vertrauen dürfen, dass seine Aussagen in der Gruppe und damit vertraulich bleiben.

 

Bundesarbeitsgericht stellt klar: Kündigungen sind möglich

Das Bundesarbeitsgericht widersprach dieser Argumentation und stellte klar, dass auch Beleidigungen in geschlossenen WhatsApp-Gruppen unter Umständen zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen können. Auf die Vertraulichkeit der Kommunikation könne sich bei größeren Chatgruppen nur im Ausnahmefall berufen werden. Die Erfurter Richter hoben das Urteil des Landesarbeitsgerichts, das rechtsfehlerhaft angenommen habe, dass eine berechtige Vertraulichkeitserwartung des Klägers bestehe, nun teilweise auf und verwiesen den Fall nun an die Vorinstanz zurück, die sich nun erneut mit dem Inhalt der Nachrichten und der Zusammensetzung der WhatsApp-Gruppe auseinandersetzen muss.

 

Praxistipp: So gehen Sie als Unternehmen und Angestellter mit beleidigenden Chats um

Ob die Kündigung wirksam ist und ob der Kläger die Vertraulichkeit seiner Nachrichten annehmen dürfte, muss das Landesarbeitsgericht entscheiden. Für Unternehmen dürfte das Urteil des Bundesarbeitsgerichts jedoch einen Anhaltspunkt geben, wie in Zukunft mit beleidigenden Chats von Arbeitnehmerseite verfahren werden kann. Wie die Erfurter Richter feststellten, ist eine Vertraulichkeitserwartung für die Chat-Verfasser nur berechtigt, wenn die Mitglieder „den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation“ in Anspruch nehmen können. Hier spielen allen voran die Zusammensetzung und Größe einer Chatgruppe die entscheidende Rolle. Festzuhalten ist, dass auch vermeintlich privat getätigte Beleidigungen unter Umständen eine Kündigung rechtfertigen. Angestellten ist zu empfehlen, sich in Gruppen dieser Art erst gar nicht beleidigend zu äußern. Wie der vorliegende Fall gezeigt hat, könnten die Nachrichten jederzeit an die Öffentlichkeit gelangen.